Impfungen und Autismus (2)

Obwohl die Wissenschaft keine Verbindung zwischen Impfungen und Autismus feststellen konnte, hält sich dieser Glaube standhaft in der Impfgegner-Gemeinschaft. Im Jahre 2006 startete „Generation Rescue“, eine Organisation zur Unterstützung von Familien mit autistischen Kindern, eine Telefonumfrage, die der Frage nachgehen sollte, ob es unter geimpften Kindern zu mehr Fällen von Autismus kommt. Die Ergebnisse sind online zu finden, werfen aber mehr Fragen auf als sie beantworten.

Glauben wir der Argumentation von Generation Rescue, dann haben geimpfte Kinder ein deutlich höheres Risiko eine neurologische Krankheit zu erleiden als ungeimpfte. Aber lässt sich das aus den Daten tatsächlich herauslesen?

Eltern wurden gefragt, ob ihre Kinder vollständig oder teilweise geimpft sind. Dabei wurde nicht spezifiziert, welche Impfungen gegeben wurden. Außerdem sollten Angaben gemacht werden, ob den Kindern die zur Auswahl stehenden Krankheiten diagnostiziert worden sind. Dabei handelt es sich um drei Formen von autistischen Störungen: Autismus, Asperger’s Syndrom und PDD-NOS (Pervasive developmental disorder, not otherwise specified), zwei Formen von Aufmerksamkeitsdefizitstörung (mit und ohne Hyperaktivität, wobei die beiden heute zumeist zusammengefasst werden, ADHS), sowie zwei nicht-neurologische Krankheiten: Asthma und Diabetes Typ I.

Vergleicht man zunächst die Zahlen der einzelnen Krankheiten mit den zusammengefassten Werten (irgendeine Autismus-Diagnose) fällt auf, dass die Zahl viel kleiner als die Summe der einzelnen ist. Mehrfachdiagnosen scheinen demnach sehr häufig erfasst worden zu sein. Diese werden allerdings weder aufgeschlüsselt noch kommentiert. Wir können also nicht überprüfen, wie die Zahlen zustande kamen und werden deshalb auf zusammengefasste Daten nicht weiter eingehen.

Wir möchten uns hier nur auf die Kernaussage der Auswertung beziehen: „Geimpfte Jungen bekommen ADHS mit einer 224% höheren Wahrscheinlichkeit und Autismus mit 61% höheren Wahrscheinlichkeit als ungeimpfte Jungen.“ Das klingt extrem viel. Wo kommen diese Zahlen her?

Der Anteil der ungeimpften Jungen mit ADHS beträgt 2,3%. Der Anteil beträgt dagegen 7,3% bei geimpften Jungen (teilweise und vollständig geimpft wurde hier zusammengefasst). Der Prozentsatz ist also mehr als doppelt so groß. Dennoch ist diese Angabe irreführend. Das Risiko für jedes einzelne Kind beträgt ja keine 200% sondern lediglich 7,3% und liegt damit zwar 5 Prozentpunkte über dem Wert der ungeimpften Jungen, ist aber dennoch weit kleiner als der große Prozentwert vermuten lässt. Die folgende Grafik soll das verdeutlichen:

impfen_autismus

Ein geringes Risiko bleibt ein geringes Risiko, auch wenn es sich relativ zum anderen Wert verändert hat.

Noch schwieriger ist es, eine Aussage über Autismus zu treffen. Der Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Jungen beträgt gerade einmal 1,3 Prozentpunkt, von 2,3% auf 3,6%. Möchte man diesen Unterschied als wichtig hervorheben, müsste man auch die Werte für Diabetes benennen. Hier liegt der Anteil bei ungeimpften Jungen bei 2,1%, aber für geimpfte bei 0,6% – eine Reduktion von 1,5 Prozentpunkten. Folgt man der Argumentation von Generation Rescue haben geimpfte Jungen eine um 69% geringere Wahrscheinlichkeit an Diabetes zu erkranken als ungeimpfte.

Reduziert Impfen also das Diabetes-Risiko? So weit würde anhand dieser Daten wohl niemand gehen, so etwas zu behaupten. Andersherum sind die Schlussfolgerungen über die anderen Krankheiten genauso fraglich. Letztendlich fehlt der „Studie“ jeder Indiz eines kausalen Zusammenhangs der beiden Informationen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Krankheiten durch die Impfungen ausgelöst wurden. Die eigentlichen Ursachen könnten in vielen anderen genetischen oder Umweltfaktoren liegen, nach denen in der Telefonumfrage aber nicht gefragt wurde.

Zuletzt wird noch darauf hingewiesen, dass die Daten der Mädchen zu keinem bedeutsamen Ergebnis geführt hat. Dies wird damit begründet, dass die Mädchen nur 20% der Erkrankungen stellen. Das ist nicht weiter verwunderlich, da die untersuchten Krankheiten wie Autismus und ADHS statistisch gesehen zu 80% Jungen treffen, dennoch darf man die Daten der Mädchen nicht unter den Tisch fallen lassen, möchte man das Impfen als mögliche Ursache der Krankheiten anführen. Immerhin waren fast die Hälfte der Kinder Mädchen, von denen 1328 mindestens eine der erfragten Krankheiten diagnostiziert bekommen hatten. Schaut man aber in die Daten, sieht man, dass die Häufigkeiten der meisten Krankheiten bei geimpften Mädchen geringer waren als bei ungeimpften. Das würde natürlich den heraufbeschworenen Effekt, den man bei den Jungen beobachtet hat, im Gesamtergebnis verkleinern:

impfen_autismus2

Autismus: Aus fast nichts wird noch weniger, bezieht man die Daten der Mädchen in die Auswertung mit ein. Möchte man eine allgemeine Aussage über den Einfluss von Impfungen auf die Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Krankheit zu erleiden, formulieren, darf man sie nicht außer Acht lassen.

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