Nehmen wir für einen Moment an, Hamers Lehren wären richtig. Trotz Unwissenschaftlichkeit hätte er die Heilung für alle Krankheiten gefunden. Seine Anhänger müssten alle ohne „schulmedizinische“ Eingriffe geheilt werden. Da müsste es doch jede Menge positive Beispiele geben. Wo sind diese?
Natürlich gibt es auf den Webseiten der GNM haufenweise Erfahrungsberichte von Patienten, die sich selbst diagnostiziert und ihre Erlebnisse und Symptome in Hamers Lehren hinein interpretiert haben. Zumeist fehlt es an brauchbaren Informationen, um Hamers Diagnosetabelle überhaupt anwenden zu können. Demnach löse ja ein bestimmter Konflikt eine bestimmte „konflikt-aktive Phase“ aus, der sich nach der Konfliktlösung die Heilungsphase anschließt. Zu jedem Zeitpunkt soll es Symptome in Psyche, Gehirn und Organ geben. Die Erfahrungsberichte sind allerdings zumeist Krankheitsberichte mit rückblickender Einordnung von Geschehnissen und „Konflikten“ gemäß der von Hamer erdachten „Diagnosetabelle“.
So sprechen Menschen zum Beispiel davon, eine Leukämie gehabt zu haben, weil sie sich im Laufe der „Heilungsphase“ etwas schlapp gefühlt haben. Da laut Hamer Leukämie einen Knochenkrebs heilen soll, interpretieren sie Schmerzen, die sie gehabt haben, als Knochenkrebs. Schon eine einfache Erkältung kann mit Gliederschmerzen und Schwächegefühl einhergehen, hat aber nicht im Geringsten irgendetwas mit Knochenkrebs oder Leukämie zu tun. Da diese Menschen keinen Arzt aufsuchen (was natürlich bei einer Erkältung auch nicht notwendig ist), gibt es keine Nachweise ihrer angeblichen Krankheitsphasen. Wenn dann die Symptome nach einer Woche nachlassen (was ein üblicher Verlauf für Erkältungen ist), sind sie überzeugt, die GNM hätte sie geheilt, dabei hat lediglich ihr Immunsystem das Virus besiegt.
Stattdessen gibt es aber keinen medizinisch dokumentierten Fall, bei dem der betroffene Patient erfolgreich durch GNM geheilt wurde. Die GNM-Methode bedeutet ja lediglich abwarten, bis der „Konflikt“ gelöst ist. Gerade bei Krebs ist nichts zu tun aber meistens tödlich. Tatsächlich gibt es dokumentierte Fälle von Leukämie-Kranken, die trotz guter Heilungschancen verstarben, weil sie sich nach Hamers Lehren nicht medizinisch therapieren ließen. Erst im August 2016 gab es mit Eleonora B. ein weiteres Opfer.
Hamer und seine Anhänger wollen dafür keine Verantwortung übernehmen. Sie behaupten, der Patient hätte entweder seinen Konflikt nicht gelöst oder sei durch „schulmedizinische“ Behandlungen vergiftet worden. Hat das Immunsystem allerdings selbst den Körper geheilt oder hat jemand sich eine Krankheit eingebildet, dann will die GNM die Lorbeeren dafür ernten.
In der Krebsforschung gibt es immer wieder neue Erkenntnisse. Verbesserte Diagnostik und Behandlungsmethoden verbessern die Heilungschancen der Betroffenen. Natürlich sind massive Eingriffe wie eine Chemotherapie nicht ohne Nebenwirkungen. Da sind „sanfte Heilungsversprechen“ von GNM und anderen Wunderheilern ein Hoffnungsschimmer. Aus der Luft gegriffene Theorien ohne jeden wissenschaftlichen Nachweis sind aber kein Ersatz für wissenschaftlich anerkannte Therapien.